Legion

Was musste nicht alles passieren, dass mich eine Serie so begeistert, dass ich dazu einen Eintrag verfassen muss. Immer wenn im Sommer die Rechnung für die Domain und den Speicherplatz im Postfach landet, denkt man noch, man müsste ja mal wieder. Aber dann stellt sich der große Westworld Hype selbst ein Bein mit unnötigem Gore und unnötiger Nacktheit. Selbst eine Klavierversion von „Black Hole Sun“ kann der Serie nicht den Anschein nehmen, nur bei den Game of Thrones Fans abkassieren zu wollen, oder zumindest weit hinter den Vorstellungen und leider auch bei der Erzählung zurück zu bleiben. Abgesehen vom Blut, nackten Tatsachen und einem automatischen Klavier, welches einen Grunge Klassiker spielt, hatte aber auch zum Beispiel die Neuauflage der Gilmore Girls nicht so viel zu bieten, dass sich ein Eintrag lohnt. Vielmehr wird die große Freiheit dem Abschluss der Serie zum Verhängnis, weil eine zu lange Musicalnummer und eine unnötig psychedelische Szene den Gesamteindruck trüben.

Wie Begeisterung und Psychose richtig gehen zeigt nun eine als verwirrendes Kammerspiel beginnende neue Serie aus dem Marvel Universum: LEGI⊗N. Dabei liest sich die offizielle Episodenbeschreibung noch so unschuldig:

A troubled young man battling mental illness wonders if the visions he experiences are real following a strange encounter with a fellow patient.
— TV Guide Synopsis

Da könnte man zwischen einfacher Superheldenkost und epischer Erzählung alles erwarten, aber nicht das – jedenfalls wenn man das zugrunde liegende Comic nicht kennt, nehme ich an. Ich will eigentlich gar kein weiteres Wort zum Inhalt verlieren, nur soviel: Das ist alles grundsätzlich nicht neu. Die Pilotepisode bedient sich mit beiden Händen bei Filmen, Computerspielen und anderen Comics. Wir Zuschauer werden damit wieder mal an der Nase herumgeführt mit diesem stetigen Gefühl von deja-vu durch die visuellen Anleihen. Dazu die schnellen Schnitte oder dass auf einmal ein gesprochener Text auch als geschriebene Worte vor einem auftauchen, und dass man sich genau wie der Hauptdarsteller ständigt fragt, was eigentlich noch echt ist und was nicht. Besonders die erste Szenen, die den Gemeinschaftsraum der psychatrischen Klinik als Handlungsort inszenieren, haben dieses Kammerspielgefühl. Wie wenn sich im Theater der Vorhang öffnet und erst dann das Licht die Szene erhellt, gehen in der Einrichtung die Lichter an verschiedenen Stellen der Szene an, aber es sind bereits Leute dort, die sich so verhalten als wäre das Licht schon die ganze Zeit an gewesen.

Apropos Zeit. Das Wann, in dem sich die Geschichte abspielt, entzieht sich dem Greifbaren gleich mehrfach. Wir werden konstant, nicht nur in dieser Hinsicht, ausgetrickst. Die Kostüme und Requisiten bringen einen neben der Bildgewalt noch viel mehr ins Zweifeln. Was ist wirklich da und was nicht. Sitzt da wirklich jemand in der Zimmerecke oder passiert das nur im Kopf des Hauptdarstellers? Zuschauer austricksen ist an sich auch nichts Neues, aber wo man in der neuesten Sherlock Staffel selbst die windigste Wendung mit einem „ach, ok, ja, habt ihr uns wieder erwischt“ abtut, ist die Unwissenheit und die Trickserei fast schon ein eigenständiger Charakter bei Legion. Dieses ständige Hinterfragen wird eben nicht nur dazu eingesetzt uns vorzuführen und aufzuzeigen wie intelligent die Drehbuchautoren sind, sondern ist die eigentliche Geschichte in der man sich langsam erarbeitet, was wirklich der wahrheit entspricht. Andererseits ist das aber auch ein absolut großartiges Drehbuch von Noah Hawley, der auch noch Regie geführt hat. Das ist der Mann, der die Serie Fargo geschaffen hat und auch hier neue Maßstäbe für Unterhaltung setzt.

Um so mehr muss man hoffen, dass die Erzählform der Serie auch weiter auf dem hohen Niveau bleiben kann. Viele Serien in jüngster Zeit scheiterten daran, die grundlegende Stärke weiterzuführen. Agents of S.H.I.E.L.D. baute schon noch ein paar Folgen dramatisch ab und man kann auch behaupten, dass sich Superheldenerzählungen in Serienform immer schwer getan haben. Um diesem Gedanken entgegen zu wirken haben die Produzenten aber angekündigt, dass es sogar noch verrückter werden soll. Wie immer muss man sich eben trotzdem darauf einstellen, dass wenn eine Formel gefunden ist, damit irgendwann nur noch die Erwartungen bedient werden. Wie bei Lost, Heroes oder eben beim Gilmore Girls Vierteiler, irgendwann weicht die Begeisterung einfach dem Kalkül. Hoffen wir, dass das hier nicht so schnell der Fall sein wird. Hoffen wir stattdessen, dass es auch weiterhin so mitreissend bleibt, das auf diesem Blog wieder Leben entstehen kann.


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